Sommer, Sonne, Strand und Stricken. Mein zehntägiger Strickurlaub ist vorbei und es ist an der Zeit, euch von meinen Erlebnissen zu berichten. Wie abenteuerlich war denn nun meine Strickreise?
Die Anreise
Da ich herausgefunden hatte, dass es einen IC gibt, der direkt von Berlin Hbf nach Westerland durchfährt, entschied ich mich für die Anreise mit der Bahn. 5,5 Stunden Zugfahrt und dann noch einmal ca. 30 Minuten Busfahrt bis Vogelkoje/Klappholttal. Je flacher die Landschaft wurde, desto aufgeregter wurde ich. Was würde mich wohl erwarten? Wie wird mir der erste Urlaub allein mit einer Gruppe fremder Menschen gefallen?
Im Jugendseeheim Sylt angekommen, erwartete mich die erste Überraschung: meine Buchung war nicht da und mein Zimmer nicht reserviert. Zu meinem Glück hatte jemand kurzfristig storniert, sodass noch ein Zimmer frei war. Und auch die Organisatorin unserer Strickgruppe versicherte mir, dass alles in Ordnung sei und man sich freue, dass ich da bin. Puh, da fiel mir ein Stein vom Herzen! Ich hatte mich doch so sehr auf den Urlaub gefreut und wollte nicht wieder zurück nach Berlin fahren. Doch der Schreck war schon bald verflogen und mein Abenteuer konnte beginnen.
DIE INSEL
Sylt hat mich landschaftlich sehr überrascht. So hügelig und grün habe ich mir die Insel nicht vorgestellt. Als wir dort waren, blühten gerade die Syltrosen und versprühten einen wunderbaren Duft.
Unterwegs sah ich viele Wiesen und Felder mit Friesenpferden und Schafen, die manchmal sogar auf die Straße liefen. Und die endlos langen und einsamen Sandstrände sind wirklich ein Traum! Auch das Watt hat es mir sehr angetan und ich verstehe jetzt, warum „Der Schimmelreiter“ mich als Kind so sehr fasziniert hat.
Auf Ausflügen sowohl mit der Gruppe als auch allein habe ich verschiedene Facetten der Insel kennengelernt. Ich habe bei einer Austernwanderung und einer Wattführung mitgemacht (beides sehr empfehlenswert!), bin mit dem Fahrrad ins historische Dorf Keitum gefahren, bin durch List und Westerland gebummelt und habe ausgedehnte Strandspaziergänge gemacht. Zum krönenden Abschluss der Reise bin ich zum südlichsten Punkt der Insel gewandert – Hörnum. Das war landschaftlich ein absolutes Highlight!
Auch kulinarisch hat die Insel so einiges zu bieten. Neben Gosch, der dort wirklich eine Institution ist, gibt es super leckere Kuchen und Torten (die Friesentorte kann ich sehr empfehlen!) und auch frische, selbst gesammelte Austern habe ich auf der Austernwanderung probiert – allerdings waren die nicht so ganz mein Fall.
DIE UNTERKUNFT
Das Seebad List auf Sylt ist die nördlichste Gemeinde Deutschlands und ist von Wanderdünen, Heide und Salzwiesen umgeben. Etwas südlich von List befindet sich das Jugendseeheim Sylt, in dem wir untergebracht waren. Etwas versteckt und abgeschieden von der Straße und dadurch sehr ruhig gelegen, befindet sich die Jugendherberge in die Dünen eingebettet mitten in der Natur. Wer auf Luxus verzichten kann und eine preiswerte (!) Unterkunft auf Sylt sucht, ist hier genau richtig. Ich hatte ein für die Jugendherberge typisches 4-Bett-Zimmer als Einzelzimmer ganz für mich alleine.
Es gab aber auch Teilnehmerinnen, die gemeinsam mit einer bekannten Teilnehmerin ein solches Zimmer als Doppelzimmer belegt haben. Manche Frauen hatten auch ihren Partner oder ihre Enkelkinder dabei und waren in Apartments auf dem Gelände untergebracht. Besonders reizvoll ist außerdem die Vollverpflegung mit recht gutem Kantinenessen morgens, mittags und abends im Speisesaal.
DAS WETTER
Wenn Strickengel reisen… Noch vor der Reise hatte der Wetterbericht eher wechselhaftes Wetter bei maximal 18 Grad angesagt. Also hatte ich eher wärmere Kleidung, Regenjacke, Regenhose und wasserfeste Schuhe eingepackt. Doch Sylt meinte es auch wettertechnisch gut mit uns: bis zu 26 Grad und strahlender Sonnenschein. Auch wenn schwere Gewitter oder gar Sturm vom Wetterbericht vorhergesagt wurden, so trat nichts davon ein.
Interessant war für mich auch das Reizklima, das auf Sylt herrscht und sich stark auf den Kreislauf auswirkt. In den ersten Tagen war ich dadurch sehr müde und habe auch mal nachmittags ein Nickerchen gemacht.
DIE STRICKGRUPPE
Unsere Strickgruppe bestand aus 17 Personen aus ganz Deutschland plus der Organisatorin Ute und der Co-Organisatorin Christel. Wie erwartet, war ich das Küken der Gruppe, was mich aber keineswegs störte. Die älteste Teilnehmerin war 65. Besonders angenehm fand ich den Zusammenhalt und die Toleranz, die ich unter uns Strickerinnen gespürt habe. Jeder akzeptierte den anderen so, wie er ist. Und so haben wir nicht nur während der festen Strickzeiten Zeit miteinander verbracht, sondern auch gemeinsame Ausflüge und Besuche im Biergarten unternommen oder einfach strickend im Strandkorb gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet.
Gemeinsam konnten wir fachsimpeln, über offene Maschenanschläge, Wendemaschen und Kaffeebohnenmuster sprechen, gegenseitig Komplimente für unsere Strickergebnisse machen und einander helfen. Klangvolle Wörter wie Zauberwald, Teezeremonie und Kräuterhexe erfüllten den Raum. Diese Harmonie, das Zugehörigkeitsgefühl und das kollektive Wissen dieser Gruppe waren für mich das Schönste an dieser Reise.
DAS STRICKEN
Wir trafen uns täglich zum gemeinsamen Stricken zwischen Frühstück und Mittagessen (09:30 bis 11:30 Uhr) und nach dem Abendessen (19:30 bis 21:30 Uhr). Die Nachmittage waren frei für Ausflüge entweder in der Gruppe oder auf eigene Faust. Während der festen Strickzeiten strickten wir entweder in unserem Stricknest im TV-Raum oder bei schönem Wetter im Freien vor dem Raum.
Ich hatte mich für Projekt 1, die Mohair-Stola, über das ich hier bereits berichtet habe, entschieden. Kaum hatte ich die 345 Maschen für die Stola angeschlagen und die ersten 6 Reihen gestrickt, wurde mir bewusst, was für ein aufwändiges Projekt ich mir da ausgesucht hatte. Mir war klar, dass ich, wenn überhaupt, nur dieses eine Projekt auf der gesamten Reise schaffen würde. Also wurde das zu meinem Ziel und ich nutzte auch neben den festen Strickzeiten jede Gelegenheit zum Stricken – im Strandkorb, im Bus, im Café, im Restaurant und sogar vorm Schlafengehen im Bett.
Von den netten Damen aus der Strickgruppe bekam ich Tipps zum effizienteren Stricken. Ich lernte zum Beispiel, die Stricknadel in der rechten Hand weiter vorn zu halten, um so einen kürzeren „Weg“ zurücklegen zu müssen und schneller stricken zu können. Was sich anfangs noch sehr ungewohnt anfühlte, wurde mit etwas Übung bei den vielen Maschen und Reihen bald zur Gewohnheit – und von Tag zu Tag strickte ich schneller. Anfangs brauchte ich für eine Reihe ca. 30 Minuten, später waren es nur noch 15 Minuten. Ich wurde dann schon scherzhaft als Strickmaschine bezeichnet und bekam Komplimente, wie schnell ich mit diesem Projekt voran komme – dabei kann ich noch lange nicht mit den geübten Schnellstrickerinnen mithalten.
Ich habe außerdem einen anderen Maschenanschlag, das Aufschlingen, gelernt. Somit muss ich nicht mehr vorher abschätzen, wie lang der überstehende Faden sein muss, damit er für die Anzahl der anzuschlagenden Maschen reicht. Auch eine andere Technik für das Abketten, die einen elastischeren Rand erzeugt, habe ich gelernt.
Am letzten Abend bekam jede von uns ein kleines Abschiedsgeschenk: ein kleiner Zauberball von Schoppel und ein Maßband.
Zum krönenden Abschluss des Strickurlaubs haben wir all unsere gestrickten und gehäkelten Werke auf dem Tisch drapiert. Ich war sehr beeindruckt davon, wie viel wir in den 10 Tagen geschafft hatten!
Auch meine Stola war rechtzeitig fertig geworden und wurde stolz von mir vorgeführt.
Wo es sich auf Sylt am besten stricken lässt
Einen Nachmittag verbrachten wir in Voigts Alte Backstube in List. Diese kleine Oase verfügt neben einem sehr hübsch eingerichteten Restaurant auch über eine gemütliche Terrasse und einen großen Garten. Bei hausgemachtem Kuchen und einer riesigen Teeauswahl lässt sich dort sehr gut die Sonne im Strandkorb genießen – und natürlich stricken.
Fernab vom Trubel, inmitten eines Kiefernparkes liegt die Kupferkanne in Kampen. Unvorstellbar, dass dieses gemütliche und verwinkelte Gebäude einst als Flakbunker diente. Wer sich auf den Weg durch das Labyrinth im Inneren begibt, wird vom Duft des frisch gerösteten Kaffees und des hausgemachten Kuchens umgeben. Der herrliche Kaffeegarten bietet einen traumhaften Blick über die Heide und das Wattenmeer.
Wer feine, regionale Spezialitäten kosten möchte, ist in der Vogelkoje in Kampen, unweit vom Jugendseeheim, genau richtig. Auf der großen Strandkorb-Terrasse lässt es sich unter alten Bäumen und bei einem leckeren Gläschen Wein sehr gut entspannen und stricken. Ich kann das Eis und Sorbet sehr empfehlen.
Was bei einem Sylt-Urlaub auf keinen Fall fehlen darf, ist natürlich ein romantischer Sonnenuntergang am Meer. Und dieser lässt sich kaum irgendwo schöner erleben als in einem der Strandkörbe am Strand von La Grande Plage in Kampen.
MEIN FAZIT
Ich habe den Strickurlaub sehr genossen und wurde auf allen Ebenen positiv überrascht: die Insel, das Wetter und die Strickgruppe. Es war einfach wunderbar, mein Hobby Stricken mit einem Urlaub am Meer und meiner Leidenschaft Fotografie verbinden zu können – und dabei so viele tolle Menschen kennenzulernen! Ich kam sehr erholt und fröhlich wieder nach Hause zu meinen Lieben. Einige der anderen Teilnehmerinnen haben sich bereits für die nächsten Strickurlaube und für das Strickfestival auf Sylt angemeldet. Und auch für mich war das sicherlich nicht die letzte Strickreise – und auch Sylt werde ich bestimmt bald wieder bereisen.
Liebe Grüße,
Eure Katja